Unser täglich Brot

Essen liefert uns Energie, macht Spaß und beeinflusst unsere Gesundheit. Die Verbindungen zwischen Wirtschaft, Politik und Kultur sind groß – auch die Wissenschaft hat sie als wichtigen Forschungsgegenstand. In der Themenkarte “Unser täglich Brot” stellen wir Zutaten, Produktion und Stellenwert ins Rampenlicht. Im Blog erzählen wir, was alles in dieser Wissenslandkarte steckt.

Die blonde Bedienung stellt es hastig, aber mit routinierter Behutsamkeit, vor mir ab. Ein Schokoladen Kuchen. Es liegt in der Mitte des weißen Porzellantellers mit Goldrand. Gabel und Serviette sind hübsch arrangiert. Meine Nase schnuppert Schokoladenduft und die leicht bittere Note gerösteter Mandeln. Während im Cafe unbekümmertes Geschnatter den Raum füllt und die Bedienung mit den Bestellungen alle Hände voll zu tun hat, erlebe ich einen stillen Moment des Genusses. Der Schokokuchen mit Mandelsplitter findet wie von selbst in meinen Mund.

Die Nahrungsaufnahme begleitet uns jeden Tag, mal verköstigen wir uns bewusster, mal weniger. Die Nahrungsmittelindustrie steht dabei mit Rat und Tat zur Seite, Supermärkte, Ernährungstipps und das eigene Gewissen machen die Auswahl nicht leicht. Wie so mancher Kochmarathon lehrt, kann das Kochen selbst zudem nervenaufreibend und aufwändig sein – mein leckeres Kuchenstück ist trotzdem schnell verputzt. Nicht nur Backen, Kochen, Garen, Rühren oder Schnipseln ist ressourcenintensiv, Auch die Produktion der Lebensmittel verbraucht Rohstoffe,  Wasser und Energie, ist auf Maschinen und Arbeitskräfte angewiesen. Mit 160 Milliarden Euro ist die Lebensmittelindustrie der viertgrößte Industriezweig in Deutschland. Etwa fünf Millionen Menschen arbeiten in Betrieben der Landwirtschaft, Verarbeitung, Gastronomie und in Filialen des Lebensmitteleinzelhandels. Das Endergebnis auf dem Teller hängt von der landwirtschaftlichen Erzeugung ab, und auch von der Weiterverarbeitung in Fabrik und Küche.

Das Essen hat’s auch nicht leicht

Die Endverbraucher stellen an Lebensmittel unterschiedliche Ansprüche. Im Idealfall sollte mein Kuchenstück schmecken, gesund sein und die Welt verbessern. Geht das? Erstaunlicherweise ist diese Vorstellung in vielen Fällen keine Quadratur des Kreises, sondern eine Sache von Hirnschmalz und Kleingeld. Wer bereit ist, den Einkauf von Lebensmitteln überlegt zu gestalten und sich mitunter auch für teurere Produkte zu entscheiden, hat das Potential die unterschiedlichen Ansprüche gekonnt für sich zu vereinen. Dabei macht die Nahrungsaufnahme natürlich nicht nur satt: Essen ist Genuss, ein Zeichen von Bildung, für manche ein wichtiger Teil der eigenen Identität und kann ein politisches Statement sein. Die Themenkarte “Unser täglich Brot” bietet Einblicke in die Produktion und den Stellenwert von Essen in Wirtschaft, Gesellschaft, Politik und Wissenschaft. Die Bio-Branche und die Konzerne sind vertreten, genau wie künstliches Fleisch und Superfood. Die individuelle Entscheidung, was wir zu uns nehmen, erhält beim Klicken, Lesen und Themen-Tieftauchen neue Aspekte ohne den Appetit zu verderben.

Weitsicht neu gedacht

Obwohl 50 Prozent des weltweiten Umsatzes der Lebensmittelherstellung von nur 50 Firmengruppen erwirtschaftet werden, existieren daneben zahlreiche Unternehmen und Initiativen, die sich  alternativen Produktions- und Konsumformen verschrieben haben. Kreative Ideen werden auf ihre Nachhaltigkeit erprobt,  wie etwa das verpackungsfreie Einkaufen oder Urban Farming. Ein groß angelegtes Beispiel der städtischen Landwirtschaft findet sich in New York. Im Stadtteil Brooklyn wachsen auf der größten Dachfarm jährlich rund 22 Tonnen Gemüse und Kräuter.

Auf der Suche nach intelligenten Strategien der Lebensmittelproduktion müssen wir nicht unbedingt in die luftigen Höhen einer Dachfarm hinauf – ein Blick in die Geschichte hat auch etwas für sich: Die ersten Nomadenvölker der Welt aßen im südlichen Afrika nur ein Drittel der reifen Früchte am Baum und töteten keine tragenden Tiere oder jene mit Jungtieren. Sie wollten die Natur nicht überlasten und auch kommenden Generationen Nahrungssicherheit garantieren. Wenn diesen Nomadenvölkern auch größte Bewunderung entgegenzubringen ist, stößt die Nachahmung in westlichen Industrieländern auf Hindernisse. Schließlich gehen die meisten Menschen dort einfach in den Supermarkt und wissen nicht, ob das gekaufte Kilo Äpfel zu dem einen Drittel eines Baums mit reifen Früchten gehört. Wahrscheinlich nicht – schließlich hätte es auch wenig Sinn in einem landwirtschaftlich genutzten Feld zwei Drittel der Ernte den Tieren und der Fäulnis zu überlassen. Unsere Lebensweise hat sich historisch geändert und wir sind nicht auf einen hohen Anteil an Wildtieren in unserem natürlichen Umfeld angewiesen. Trotzdem profitieren wir von einem funktionierenden Kreislauf der Natur, der durch Ausbeutung und Belastung der Umwelt gefährdet ist. Somit ist ein vorausschauender Ansatz wie der der afrikanischen Nomadenvölker wohl auch heute eigentlich notwendig. Ob er realistisch ist, steht auf einem anderen Blatt.

Die Überführung solcher Einsichten in den Alltag ist bekanntlich nicht leicht: Ist mir mein Schokokuchen jetzt also doch nicht vergönnt? Es kommt darauf an. An die Häufigkeit meines Schokoladekuchenessens. Auf die Zutaten des leckeren Lebensmittels auf dem Porzellanteller. Und darauf, ob die Obsttorte nicht vielleicht die bessere Wahl gewesen wäre.

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